Herzbücher

Meine beiden Herzbücher verbinden die Illustrationen. Sydney Smith, der junge kanadische Illustrator bringt Emotionen zu Papier, die unter die Haut gehen.

Das Bilderbuch “Ich bin wie der Fluss” nimmt den Betrachter/die Betrachterin mit auf eine Reise in die Welt der Sprachklänge, tief verschlossen im Innersten eines Kindes, das Sprechen als schmerzhaft erlebt und tief im Schweigen versinkt, “weil der Mund nicht will.”

Und “Unsichtbar in der großen Stadt” erzählt die Geschichte einer Suche…ein Kind allein auf einer Mission in einer großen, lauten Stadt.
Beide Bücher berühren unmittelbar das Herz. Und brauchen mehr als nur einen oberflächlichen Blick. Sie fordern uns heraus, sich ganz in die Welt der Bilder zu vertiefen, Angst, Traurigkeit, Verstummen und Schmerz auszuhalten, um am Ende Tröstliches zu erfahren.

 
 

Um Kindern ein empathisches, intensives Erleben der Geschichten zu ermöglichen, könnten wir uns mit ihnen auf Phantasiereise begeben, in die Protagonisten der Geschichte hineinschlüpfen, um ein Stück mit ihnen zu gehen…
Zum Buch “Ich bin wie der Fluss” könnte es sich so anfühlen:
”Du wachst auf mit dem Klang der Wörter um dich herum: B für den Baum draußen vor deinem Fenster und K für die Krähe in seinen Zweigen. M für den Mond, der am Himmel verblasst und G für das Glas voller Murmeln, das auf deinem Fensterbrett steht…Du hörst den Klang der Wörter, kannst sie aber nicht sagen…in deinem Mund stecken die Wörter fest. Wortlos isst du dein Frühstück und machst dich auf den Weg zur Schule. Du denkst dir, hoffentlich komme ich nicht dran. Der Vormittag in der Schule ist heute besonders schlimm. Du sollst von deinem Lieblingsort erzählen, aber dein Mund bringt nichts raus und alle starren dich an. Du willst nur noch nach Hause. Dein Vater holt dich von der Schule ab. Er nimmt dich mit zu einem ruhigen Ort. Er fährt mit dir zum Fluss….Ihr geht am Ufer entlang und sucht nach bunten Steinen. Es tut gut, mit deinem Vater zu gehen, nichts sagen zu müssen…und ein bisschen zu weinen.
Dein Vater spürt deine Traurigkeit, er legt seinen Arm um dich, zeigt auf den Fluss und sagt: “Siehst du das Wasser? Wie es sich bewegt? So sprichst du. Das bist du…” Du schaust auf das Wasser, wie es sprudelt, wirbelt, gischtet, vorwärtsdrängt, glitzert und funkelt….Ich bin wie der Fluss, denkst du und der Fluss ist wie ich. So spreche ich. Auch der Fluss stottert. Wie ich.
Und du tauchst ein in das glitzernde, sprudelnde Wasser…”

Zum Ausklang kann ich mir gut vorstellen, gemeinsam mit den Kindern eine Flusslandschaft zu gestalten:
Malen auf Packpapier - Mischen von Blau- und Grüntönen, Gestalten mit Tüchern und Naturmaterial…dabei kann man gut Flussgeräuschen oder Smetanas Moldau lauschen und in Gedanken am Ufer spazieren…

In “Unsichtbar in der großen Stadt” begleiten wir ein Mädchen durch den Großstadtdschungel in wichtiger Mission.
Viele Tipps hat das Mädchen parat: Welche Gassen wir lieber meiden sollen, wo wir uns aufwärmen und rasten können, wo es schöne Musik zu hören gibt, wo wir uns verstecken können, wo wir sicher etwas Gutes zu essen bekommen…
Allmählich beginnt es zu schneien und jetzt erst sehen wir, was das Mädchen im Rucksack mit sich trägt: Vermisstenanzeigen mit dem Bild einer Katze.
All die Tipps waren also nicht für uns….
Wird die Katze wieder auftauchen?

Die Illustrationen vermitteln schon fast schmerzlich die Kleinheit des Kindes die im Gegensatz zur lauten und hektischen Stadt mit ihren Straßenschluchten und verstörenden Spiegelungen steht.
Schon die ersten vier Panele mit dem Blick des Mädchens durch eine beschlagene Straßenbahnscheibe auf die vorbeiziehende Stadtlandschaft erzeugen einen Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen kann.

Um Kindern das Nacherzählen der Geschichte zu erleichtern, habe ich Becherszenen zum Weiterdrehen gestaltet: